Kavernidos Kulturphilosophie
Eine Erörterung von Prof. Johannes Rohbeck, Dresden
Filareto hat die Utopie einer Kommune gelebt. Folgt man seinen „programmatischen Grundlinien“, gab es in der „kommunistischen Gruppe“ keinen Besitz und kein Privateigentum, weder an Dingen noch an Personen. Das bedeutete die gemeinschaftliche Nutzung der Wohnung sowie die gleiche Verteilung von Lebensmitteln und Gebrauchsgütern. Ebenso war damit die gemeinsame Verfügung über Lebenspartner und Kinder gemeint. Insgesamt sollte die Lebensweise asketisch sein. Das erforderte schon die materielle Not, diente aber auch dazu, Geld zu sparen, um die anfängliche „Konsumptionsgemeinschaft“ zu einer „Produktionsgemeinschaft“ zu erweitern, die in der Landwirtschaft und im Handwerk bis zur Kleinindustrie angesiedelt werden sollte. Das Ziel bestand in der Vermehrung derartiger „Gruppen“, die sich zu einer „anationalen“ Organisation zusammenschließen sollten.
Wie wurde diese Utopie begründet? Woher nahm der Urheber dieses Projekts die Zuversicht, das richtige Ziel vor Augen zu haben? Wie rechtfertigte er gegenüber seinen Gruppenmitgliedern dieses Ziel? Und mit welchen Argumenten versuchte er, andere Menschen zu überzeugen, sich dieser Gruppe anzuschließen oder gar neue Gruppen zu bilden? Aus den historischen Quellen wissen wir, dass dieses Leben mühsam und entbehrungsreich gewesen ist. Die faktisch vorhandene Gruppe konnte nicht so attraktiv gewesen sein, dass ihr die Mitglieder zuflogen. Weil die Wirklichkeit offenbar nicht für sich sprach, bestand offenbar ein hoher Legitimationsdruck. Es bedurfte daher einer tiefer gehenden Rechtfertigung, die Filareto in der Philosophie suchte.
Im Programm finden sich dazu erste Hinweise. Es beginnt mit dem mythischen Bild der „Höhle Zarathustras“ und mit dem Ziel eines „höheren Menschen“, was auf Friedrich Nietzsche anspielt. Dabei stellt sich auch die Assoziation zum „Höhlengleichnis“ von Platon ein. Am Ende werden die Begriffe „Vernunft“ und „Liebe“ beschworen, die in dieser Allgemeinheit einen ebenso philosophischen Klang haben.
Zur Erläuterung hat Filareto 1920 seinem Programm drei Mitteilungsblätter hinzugefügt, in denen der Bezug zur Philosophie konkretisiert wird. Im zweiten Heft rückt er den Begriff der Liebe ins Zentrum, im dritten Heft erörtert er die Rolle der Vernunft in der Gesellschaft. Bereits aus dem Titel des ersten Heftes wird klar, dass er eine kulturphilosophische Legitimierung des Kommunismus im Sinn hat.
Zum ersten Heft Kulturphilosophische Betrachtungen
Zu Beginn verdeutlicht Filareto, welche Art Kulturphilosophie er zu Grunde legen will: „Die Kulturentwicklung schreitet fort.“ Es geht also um die Kultur in ihrer historischen Entwicklung, der sogar ein Fortschreiten bescheinigt wird. Wenn dieses Thema auf philosophische Weise behandelt wird, bewegt sich die Betrachtung im Rahmen einer Philosophie der Geschichte. Um das Motiv zu erschließen, das Filareto bewogen haben könnte, eine geschichtsphilosophische Begründung zu versuchen, vergegenwärtigen wir uns noch einmal die extrem widrigen Bedingungen, unter denen die „kommunistische Gruppe“ entstanden ist. Wenn die erfahrbare Gegenwart derart entmutigend ist, liegt es nahe, alle Hoffnungen auf die Zukunft zu setzen, in der das bessere Leben erwartet wird.
Tatsächlich gehört es zum Topos der Geschichtsphilosophie, für den künftigen „Fortschritt“ von den gegenwärtig lebenden Menschen Opfer abzuverlangen. Ein ebensolcher Topos ist die Berufung auf eine übermenschliche Instanz, von denen die Individuen getrieben werden, ohne ihren Sinn einzusehen. Auch Filareto betont ausdrücklich, dass „die Kulturentwicklung der Menschheit nicht das bewusste Werk menschlicher Vernunft ist“, deren „Kräfte“ die Menschen „nicht kennen, aber ahnen, fühlen, genialisch erfassen“. Polemisch zugespitzt heißt das: Wenn diese Einsicht den gewöhnlichen Verstand übersteigt, bedarf es eines genialen Führers, der den Weg der Geschichte weist. Viele Zeugnisse sprechen dafür, dass sich Filareto als ein solches Genie gefühlt hat und tatsächlich bei seinen Zeitgenossen diesen Eindruck zu erwecken vermochte. Im Grunde wird damit die im Programm erwähnte „Vernunft des Einzelnen“ wieder zurückgenommen. Heute hat eine solche Geschichtserzählung zur Legitimierung der Gegenwart ihren Kredit verspielt.
Die Idee des Fortschritts gehörte auch zum Marxismus dieser Epoche, von dem unser Autor sicherlich beeinflusst war. Doch Filareto schließt sich nicht etwa der marxistischen Geschichtsschreibung an, obwohl er sich „kommunistisch“ nennt und von „Fortschreiten“ spricht. Im Gegenteil, er deutet die bisherige Geschichte Europas ganz radikal als eine Verfallsgeschichte.
Die Grundthese besteht darin, dass die wissenschaftliche und technische „Zivilisation“ zwar fortgeschritten ist, dass aber demgegenüber die „Kultur“ als Ausbildung von Kunst und Moral zurückgeblieben sei. Dieser verfehlte Weg ist zurückzugehen, um die Geschichte sozusagen wieder neu anfangen zu lassen. Der Wendepunkt liegt in der griechischen Antike um 450 v. Chr. zur Zeit des „ersten“ Philosophen Sokrates, der gleichsam die falsche Weiche zugunsten des „Wissens“ auf Kosten der „Kunst“ gestellt habe. Damit offenbart sich auch die tiefste Ursache, die im Widerspruch zwischen der Wahrheitssuche des Menschen und der Unerreichbarkeit dieses Ziels besteht. Diesen Irrweg der Erkenntnis sind die Römer, Christen und Philosophen bis Kant und Schopenhauer so lange gegangen, bis Nietzsche in seiner „Geburt der Tragödie“ an die Kunst, insbesondere an die Musik, erinnert hat. An diese Offenbarung gilt es in der Gegenwart anzuknüpfen, um eine neue Kultur im Geiste Nietzsches (und Goethes) wieder aufzurichten. Diesem Ziel soll auch die eigene Kommune dienen.
Mit Nietzsches Schrift Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik aus dem Jahr 1872 hat Filareto die wesentliche Quelle seiner kulturgeschichtlichen Rechtfertigung genannt. Wesentlich für Nietzsche war die Unterscheidung zwischen der „appolinischen“ Kunst des Bildners und der „dionysischen“ Kunst der Musik; das Dionysische ebnet alle sozialen Differenzen und Hierarchien ein und soll den auf Sklaventum gründenden appolinischen Staat auflösen. Mit Sokrates siegt der theoretische Mensch über diese tragische Weltanschauung.
Der Gegensatz zwischen Zivilisation und Kultur wird Nietzsche zwar häufig nachgesagt, blieb bei ihm aber nur angedeutet. Auf die Spitze getrieben hat diese Polarisierung erst Oswald Spengler in Der Untergang des Abendlandes, einem Buch, das 1918, also zwei Jahre vor Filaretos Heften erschienen ist. Darin hatte Spengler ein zyklisches Geschichtsbild entworfen, nach dem es bisher acht Hochkulturen gegeben hat, die das Schicksal teilen, dass sie irgendwann einmal ins Stadium der Zivilisation getreten sind und damit den Kulturtod erlitten haben – ein Schicksal, von dem angeblich nun auch das Abendland und insbesondere Deutschland bedroht ist. Bei Spengler schwingen dabei auch nationalistische und rassistische Untertöne mit, wenn er gegenüber der „faustischen“ Kultur Deutschlands die Zivilisation Frankreichs und anderer europäischer und außereuropäischer Länder abwertet. Etwa zur gleichen Zeit hat der jüdische Philosoph Ernst Cassirer in seiner Philosophie der symbolischen Formen eine Kulturphilosophie entworfen, welche die Trennung zwischen Kultur und Zivilisation überwindet zugunsten eines themenübergreifenden und gesamteuropäischen Kulturbegriffs.
Die nationalistische Tendenz war natürlich mit Filaretos Begeisterung für Esperanto und mit seiner Kritik am Nationalen überhaupt nicht vereinbar. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit ließ er sich von Spengler beeinflussen, ohne ihn namentlich zu nennen. Trotz aller Problematik, die ihm vielleicht auch nicht bewusst war, übernahm er dessen Konzept und projizierte es in Nietzsche. Dafür spricht zunächst der Gebrauch der Begriffe „Kultur und Zivilisation“, die sogar den Titel des zweiten Heftes bilden. Ebenso orientiert sich die konkrete Darstellung des Geschichtsverlaufs an Spengler. Wie er bezeichnet Filareto die Deutschen als „degenerierende Zivilisationsmenschen“, die nur durch den Geist von Goethes „Faust“ gerettet werden können. Schließlich wirft er der zeitgenössischen Zivilisation einen Verlust an Kultur vor, um daraus die Forderung nach einer neuen Kultur abzuleiten. Auf diese Weise lässt er die Geschichtsphilosophie Spenglers mit der Ästhetik von Nietzsche verschmelzen. Letztlich läuft der Diskurs auf eine ästhetische Rechtfertigung der Kommune hinaus.
Zum zweiten Heft Kultur und Zivilisation
Mit dem Titel wird das Thema des ersten Heftes fortgeschrieben, jedoch auf völlig andere Weise bearbeitet. An die Stelle des vorangegangenen geschichtsphilosophischen Diskurses tritt nun eine anthropologische Begründung des Gegensatzes von Kultur und Zivilisation. Dazu beruft sich Filareto explizit auf Ernst Häckel. Dieser war ursprünglich Zoologe und hat mit seinen populärwissenschaftlichen Büchern Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868) und Die Welträtsel (1899) den Darwinismus in Deutschland maßgeblich verbreitet und dabei zugleich eine „spiritualistische“ Weltsicht vertreten. Es ist nachvollziehbar, dass sich der ehemalige Arzt Filareto von dieser Mischung aus Naturwissenschaft und Idealismus angesprochen fühlte. Außerdem bot sich dadurch die Möglichkeit an, die Geschichtsphilosophie mit dem Darwinismus zu verbinden. Diese Position war bereits im 19. Jahrhundert weit verbreitet, wie zum Beispiel Thomas Robert Malthus und Karl Marx demonstriert haben, so dass hier auch Anschlussmöglichkeiten an den Marxismus bestanden.
Doch im Unterschied zu Marx überträgt Filareto an dieser Stelle noch nicht die Evolutionstheorie auf die Theorie der Gesellschaft, sondern bemüht die Anthropologie, um daraus den Gegensatz zwischen Kultur und Zivilisation abzuleiten. Der unterstellte Grundwiderspruch der Geschichte und der gegenwärtigen Welt wird in die Natur des Menschen verlegt; und weil der Mensch Teil der Natur ist, wird die Menschennatur wiederum in einer „Allkraft“ des natürlichen Lebens begründet, die im „ewigen Wechsel“ von zwei „Kraftformen“ erscheint, im „Fortpflanzungstrieb“ und im „Selbsterhaltungstrieb“. Der letzte Grund wird also in der Naturphilosophie gesucht. Filareto nimmt offenbar keinen Anstoß daran, dass er mit Hilfe unveränderlicher Kräfte die Veränderungen in der Geschichte begründen will. Wichtig scheint ihm die naturwissenschaftliche Fundierung seiner Geschichtstheorie zu sein, die man aus heutiger Sicht als naturalistisch bezeichnen kann. Die Plausibilität bestand offenbar darin, dass er eine biologische und damit in seinem Sinne „medizinische“ Erklärung für die ganze Welt gefunden zu haben glaubte.
Der „Selbsterhaltungstrieb“ führt nach Filareto zur modernen Zivilisation, zu Wissenschaft und Technik, und gesellschaftlicher Arbeitsteilung. Letztlich bleibt dabei der Egoismus vorherrschend, weil die Sozialisierung nur Mittel zum Zweck der Selbsterhaltung ist. Auch die Moral bis hin zu Altruismus und Nächstenliebe entspringt nur einem aufgeklärten Egoismus, der letztlich zum Untergang der Gesellschaft führt. Demgegenüber führt der „Fortpflanzungstrieb“ zur Kultur. Denn dieser Trieb ist der Ursprung der Liebe, deren Ausdruck die Kunst ist. Die Kunst bildet das wahre „ethische Band“ der Gesellschaft, sie ist der „wahre Kulturzustand“ und führt zum „wahren Sozialismus“.
Damit ist auch der Begriff der Liebe, der im vorgestellten Programm erwähnt wird, etwas konkreter geworden. Vermutlich bezieht er sich auf die „freie Liebe“ in der Kommune. Doch das erinnert mehr an Goethe und Schiller als an Nietzsche, der den „Willen zur Macht“ und damit den Kampf zum Prinzip gemacht hatte. So ist aus den unterschiedlichen Vorlagen ein originelles Patchwork entstanden: aus der Biologie von Haeckel eine Anthropologie mit Grundtrieben, daraus mit der deutschen Klassik die Liebe als ethisches Prinzip, mit Nietzsche die Übertragung in die dionysische Kunst, die mit Spengler zur geschichtsphilosophisch aufgeladenen Kultur gewendet wird. Die Grundstimmung, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts sehr verbreitet war, besteht aus einem Überdruss an der technisch-ökonomischen Zivilisation, aus der Filareto ja selbst ausgebrochen ist.
Zum dritten Heft Kulturkampf statt Klassenkampf
Inzwischen scheint Filareto von seinen schöngeistigen Spekulationen etwas Abstand zu nehmen, um sich praktisch-politischen Themen zu widmen. Er kritisiert die „Funktionäre“ der sozialistischen Arbeiterbewegung und beabsichtigt demgegenüber eine „richtige Interpretation des historischen Materialismus“. Im Untertitel steht die These, die er widerlegen möchte: „Der Mensch ist das Produkt seiner Verhältnisse“.
Wiederum glaubt Filareto auf die „Entwicklung der Menschheit“ zurückgreifen zu müssen, aber jetzt erwähnt er explizit Charles Darwin und dessen Evolutionstheorie, die er durch Ernst Häckel kennen gelernt hat und die zugleich in einer größeren Nähe zu Karl Marx steht. Ausgesprochen marxistisch klingt die daran anschließende Skizze des historischen Verlaufs von Gesellschaften mit Hilfe von Begriffen wie „Gesellschaftsorganisationen“ und „Produktionsmittel“. Ob Filareto selbst einige Schriften von Marx gelesen hat oder ob er aus politischen Gründen die Namensnennung vermeiden wollte, ist nicht erkennbar. In jedem Fall handelt es sich um ein Vokabular, das damals in der Arbeiterbewegung im Umlauf war.
Theoretisch interessant ist die Kritik an der zitierten These. Das Argument lautet, dass keine Veränderungen in den Gesellschaften möglich wären, wenn „tatsächlich der Mensch das Resultat äußerer Zustände der Umgebung“ wäre. Aber in Wirklichkeit entsteht der Wandel in der Geschichte durch den „Wunsch“ nach der Befriedigung neuer Bedürfnisse und durch entsprechende technische „Erfindungen“. Die Grundlage solcher Innovationen sieht Filareto in der „Vernunft“. Sie ist ein natürliches „Organ“, das sich in der Evolution der Menschen herausgebildet hat, zunächst in der Technik wirksam wird und schließlich in der Entwicklung von Gesellschaften eine entscheidende Rolle spielt. Mit ihrer Hilfe erfassen die Menschen „im Geiste“ und in gedanklicher „Vorerkenntnis“ neue Ziele. Folglich ist es die Vernunft, welche „die Gestaltung unserer äußeren Lebensumstände beeinflussen“ kann.
Das Wort „beeinflussen“ ist so vorsichtig gewählt, dass eigentlich kein Marxist daran Anstoß nehmen würde. Ob diese Formulierung den Satz „Der Materialismus ist falsch“ begründen kann, sei also dahingestellt. Sicher ist nur, dass sich Filareto eher vom Spiritualismus eines Häckel angezogen fühlte. Deshalb besteht der Sinn dieser Passage eher in einer politischen Absicht. Denn innerhalb des Marxismus gab es tatsächlich eine Debatte über das Problem, dass eine völlige materielle Determinierung der Menschen eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse ausschließen würde. Historischer Materialismus und Revolutionstheorie schienen sich gegenseitig auszuschließen. Diese Grundsatzdiskussion, an der sich Marx selbst beteiligte, hatte nicht zuletzt auch politische Auswirkungen bei der Frage, ob die Arbeiterklasse eine spontane Revolte anfachen oder auf den Zusammenbruch des Kapitalismus warten sollte. Es leuchtet ein, dass sich Filareto auf die Seite der Spontaneisten stellte. So ist offenbar auch der Begriff der Vernunft im anfänglichen Programm zu verstehen.
Doch widerspricht Filareto damit seiner eigenen Geschichtsphilosophie aus dem ersten Heft, in dem er dargelegt hat, dass die menschliche Vernunft gerade nicht in der Lage sei, die Kulturentwicklung vorauszusehen oder gar zu planen. Dieser Widerspruch lässt sich nur so auflösen, dass den Menschen bisher in der Vergangenheit die Geschichte verschlossen war, während die Vernunft in der Gegenwart zu Richtung weisenden Erkenntnissen fähig sei. Diese Aufgabe hat sich Filareto ja selbst gestellt, er verteidigt sich damit gegen die organisierte Arbeiterbewegung.
Gegen den etablierten Marxismus richtet sich auch die Kritik am Begriff des „Klassenkampfes“ und der Klasse überhaupt. Filareto wendet ein, dass diese Klassen allein ökonomisch bestimmt sind, während sich bei den Mitgliedern einer Klasse kulturelle Unterschiede finden ließen. Auch diese recht triviale Beobachtung, die an der Klassentheorie vorbeizielt, würde kein Marxist bestreiten. Schon Marx und Engels waren sich darüber im Klaren, dass sie andere kulturelle Ursprünge hatten als die Arbeiter. Weil eine solche Argumentation nicht überzeugt, sind die praktischen Schlussfolgerungen wichtiger. Mit dem von ihm propagierten „Kulturkampf“ beabsichtigte Filareto, seine Gruppe für Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten offen halten, zumal er ja selbst aus bürgerlichen Verhältnissen stammte. Außerdem war ihm die ästhetische Kultur wichtiger als der soziale Fortschritt. Schließlich wollte er sich mit den gewerkschaftlichen und politischen Funktionären versöhnen, nachdem es vermutlich Debatten über die angemessene Strategie gegeben hat. Wenn er in einem Gleichnis von den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der revolutionären Bewegung spricht, plädiert er für einen Pluralismus, der ihm persönlich den nötigen Freiraum verschaffen sollte.
Dabei schreibt sich Filareto einen nicht gerade unbescheidenen Platz zu, indem er seine Kommune an der Spitze zu gehen glaubt und den übrigen sozialistischen Organisationen die Nachfolge gönnerhaft zubilligt. Die Gewissheit, überhaupt auf dem richtigen Weg zu sein, schöpft er wieder aus der „natürlichen Entwicklung“, die wie von selbst zu einem „neuen Kulturzustand“ führen werde. Damit schließt sich der Kreis zur naturalistischen Geschichtsphilosophie der beiden ersten Hefte.
Doch am Ende dieses Heftes verfügt Filareto über so viel Selbstironie und Witz, dass er von sich selbst behauptet, er „probiere“ nur etwas Neues aus und sei in diesem Sinn ein „Probist“. So ein Mensch kann sich freilich auch irren.
Januar 2007